TedW #1: Arzttermine

Mai 15, 2006 Me Der Generationenvertrag, Treibsand erklärt die Welt Kommentare deaktiviert für TedW #1: Arzttermine

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Aus der losen Reihe ‚Treibsand erklärt die Welt‘ heute: Arzttermine

Wer einmal krank war, kennt das Spiel sicher. Sie rufen beim Arzt Ihres Vertrauens an und wollen gerne einen zeitnahen(!) Termin, also am besten noch am Tage Ihres Anrufes. Doch was Sie zu hören bekommen gefällt Ihnen gar nicht: „Ja, also, heute geht es bei uns nicht, wir hätten einen Termin in 6 bis 8 Wochen für Sie frei“.

Was sagt man dazu?

Nichts. Dank den vielen kleinen „Gesundheits(politik)reförmchen“ zur Kostendämpfung ist es mittlerweile so, daß der Arzt ein festes Zeitbudget bekommen hat, welches er abarbeiten und abrechnen kann. Alles, was über dieses Zeitbudget hinausgeht, wird ihm von der Krankenkasse nicht bezahlt. Selbst Arbeiten, die der Arzt NICHT selbst durchführt, wie z. B. Gutachten schreiben, Briefe mit Rückfragen von Kollegen und Krankenkassen beantworten etc. geht von seinem Zeitbudget ab. Je älter der Patient übrigens, je geringer ist das Zeitbudget pro Tätigkeit. Wo der Arzt in der Sprechstunde bei einem jüngeren Menschen 7 Minuten Zeit hat für die Erklärung der Diagnose, kann es bei einem 70 jährigen sein, daß ihm nur 3 Minuten bezahlt werden.

Nun hat der Arzt, gerade dann, wenn er auch Krebspatienten behandelt, das Problem, daß diese alle 3 bis 6 Monate zur Kontrolle kommen müssen, und wenn es ganz blöd läuft, sind alleine damit schon mehr als die Hälfte alle möglichen Termine bereits vergeben. (In manchen Praxen machen diese festen Termine schon 2 / 3 aller Behandlungszeiten aus.)
Und in einer normalen (Fach-)Arztpraxis füllen sich die Termine von alleine und in vielen Fällen ist der Arzt dann Monate im Voraus ausgebucht. Im Notfall (und das Wort meint exakt das, was es sagt), werden viele Ärzte trotzdem einen kurzfristigen Termin nennen; jedoch kann ein Arzt auch nur eine begrenzte Anzahl von Notfällen am Tag behandeln. Schlimmstenfalls wird man an das nächste Krankenhaus bzw. an einen Kollegen verwiesen.

Damit wird alles schon etwas klarer. Der Facharzt bekommt nur eine festgelegte Arbeitszeit bezahlt. Ob er nun aber statt der oben genannten 3 Minuten 10 Minuten braucht, dann ist das sein Problem, denn die Extramiinuten bekommt er nicht bezahlt. Und spätestens jetzt wird alles klar.

Der Arzt hat keine Termine, weil er diese nicht mehr abrechnen kann und ohnehin schon mehr Zeit pro Tag arbeitet, als er bezahlt bekommt. Die ganzen Vorgaben sind ohnehin völlig akademischer Natur und haben überhaupt nichts mit der Realität zu tun.

Nebenbei erwähnt: Durch die ganzen Reformen und dem erhöhten Verwaltungsaufwand können sich immer mehr Ärzte leider immer seltener die Arzthelferinnen leisten, die sie eigentlich brauchen, um all die Arbeit erledigen zu können. Ergo haben die Änderungen im Gesundheitswesen auch direkte Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt.

Was lernen wir nun daraus:

1. Daß Ärzte keine zeitnahen Termine haben (außer bei Notfällen, und da auch nur im begrenzten Rahmen), liegt daran, daß die zeitlichen Vorgaben zu eng sind und nur noch budgetierte Arbeitszeiten abgerechnet werden können.

2. Daß Sie, als Patient beim Arzt häufig anrufen müssen, um überhaupt einen Termin vereinbaren zu können, hat auch damit zu tun.

3. Daß die Ärzte so gehetzt wirken und sich für Sie nicht mehr soviel Zeit nehmen können, obwohl sie es gerne täten, hat, wie Sie sich schon denken, auch seinen Grund in obiger Problematik.

4. Daß Sie schon mal länger auf Ihr Gutachten, Ihren Bericht oder Ihre Laborbefunde warten, hat unmittelbar mit einer personellen Unterbesetzung der Facharztpraxis zu tun, da aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr Mitarbeiter eingestellt werden können.

In jeder anderen Branche hielte man es für eine Unverschämtheit, wenn der Staat Arbeitszeiten vorgäbe und definierte, welche Zeiten ein EDV Dienstleister am Tag abrechnen kann. Aber warum dann im Gesundheitswesen? Diesem Aspekt widmen wir uns im Rahmen unserer Betrachtungen auch.

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